Relegation! Und jetzt? Teil 2/3 Offene Fragen nach einer wechselhaften Saison

Der 1. FC Kaiserslautern hat das sportliche Minimalziel erreicht und sich mit dem dritten Platz die Relegation gesichert. Stefan Kuntz war danach an den Sky Mikrophonen zu sehen und hören, dass die Anhängerschaft doch gefälligst ihre Ansprüche herunter schrauben müsste. Welche Ansprüche?

Nach der verheerenden Saison 2011-2012 und dem damit verbundenen Abstieg in die zweite Bundesliga, hatten wohl die wenigsten Fans ernstliche Ansprüche auf den Wiederaufstieg. Der Tenor in Foren wie www.transfermarkt.de oder auch www.der-betze-brennt.de war fast ausnahmslos negativ. Alle sollten von Bord, die nicht mehr richtig mitziehen wollten. Das betraf Leistungsträger der Vorjahre wie Christian Tiffert, Rodnei und Oliver Kirch (ja auch O. Kirch wusste in der ersten Saison nach Wiederaufstieg phasenweise zu überzeugen). Andere Spieler wurden nicht gehalten bzw. auf Grund von Klauseln verkauft/verliehen (Kevin Trapp, Olcay Sahan, Itay Shechter, Gil Vermouth, Richard Sukuta-Pasu, Andrew Wooten, Ilian Micanski, Leon Jessen uvm.). Wieder einmal regierte der eiserne Besen beim FCK, nur dieses mal sollte, wie so oft alles besser werden. Man gestand sich Fehler in der Kaderplanung ein und Kuntz nahm einen Teil der Schuld auf seine Kappe. Ein weiterer Umbruch vom Umbruch sollte folgen.

Ergebnis dieses neuerlichen Frühjahrputzes war dann, dass eine Reihe teils namhafter Spieler den Weg in die Pfalz fanden (Mo Idrissou, Marc Torrejon, Mimoun Azouagh, Alexander Baumjohann, Enis Alushi, Albert Bunjaku, Florian Riedel und später Mitchell Weiser, Markus Karl, Erwin „Jimmy“ Hoffer, Benjamin Köhler, Chris Löwe). Unter diesen illustren Kreis von neuen Kickern mischten sich auch einige Eigengewächse: Denis Linsmayer, Willi Orban, Steven Zellner, Hendrick Zuck und Dominique Heintz. Gerade Heintz und Zuck wussten recht schnell zu überzeugen und eroberten sich Stammplätze, so dass der gemeine FCK-Fan schon von einer neuen „goldenen Generation“ sprach.

Na, wem ist jetzt schon schwindelig vor lauter Namen? Ich möchte ungern auf die einzelnen Namen eingehen, wovon ich auch einige nicht erwähnt habe, denn jeden dieser Spieler kann man unterschiedlich evaluieren. Schaut man sich aber die Transferbilanzen der letzten drei Jahre an, dann erscheinen die Zahlen wie folgt:

Saison 2012-2013 24 Neuzugänge, 21 Abgänge

Saison 2011-2012 14 Neuzugänge, 16 Abgänge

Saison 2010-2011 19 Neuzugänge, 20 Abgänge

Im Vergleich dazu haben Clubs, die den Ruf eines Durchlauferhitzers genießen, besonders wenn Felix M. Trainer/Manager war, folgende Transferbilanzen:

VFL Wolfsburg:

Saison 2012-2013 20 Neuzugänge, 28 Abgänge

Saison 2011-2012 28 Neuzugänge, 19 Abgänge

Saison 2010-2011 18 Neuzugänge, 16 Abgänge

FC Schalke 04:

Saison 2012-2013 18 Neuzugänge, 21 Abgänge

Saison 2011-2012 13 Neuzugänge, 16 Abgänge

Saison 2010-2011 22 Neuzugänge, 26 Abgänge

Vorab muss man auch betonen, dass unter dieser Statistik auch Spieler der zweiten Mannschaften, die üblichen Kaderleichen, aufgerückte Jugendspieler und abgewanderte Jugendspieler aufgelistet werden. Trotzdem bleibt es interessant, schaut man sich die Transferaktivitäten von anderen Clubs an.

Borussia Dortmund:

Saison 2012-2013 13 Neuzugänge, 12 Abgänge

Saison 2011-2012 9 Neuzugänge, 12 Abgänge

Saison 2010-2011 12 Neuzugänge, 11 Abgänge

Hannover 96:

Saison 2012-2013 13 Neuzugänge, 11 Abgänge

Saison 2011-2012 9 Neuzugänge, 7 Abgänge

Saison 2010-2011 11 Neuzugänge, 15 Abgänge

VFB Stuttgart:

Saison 2012-2013 12 Neuzugänge, 7 Abgänge

Saison 2011-2012 10 Neuzugänge, 12 Abgänge

Saison 2010-2011 13 Neuzugänge, 15 Abgänge

(Quelle: www.transfermarkt.de)

Wie bereits erwähnt wäre es noch interessant zu wissen, welche von den Neuzugängen insbesondere für die erste Mannschaft eingeplant waren, oder sogar Stammspieler werden sollten. Jene Erhebung möchte ich aus reiner Bequemlichkeit nicht veröffentlichen (es heißt nicht umsonst Stehgeiger), aber beim schnellen überfliegen der Namen wird klar, dass der FCK mit den Wolfsburgern und Schalkern durchaus auf Augenhöhe agiert. Jeder kann die Zahlen/Namen im Internet und der oben angegebenen Quelle selbst nachlesen.

Natürlich kann man argumentieren, „if it’s broke don’t fix it“.

Was vielleicht für Clubs wie Hannover oder Dortmund stimmt, denn beide spielten recht erfolgreiche Serien. Aber gerade ein Verein wie der VFB Stuttgart der selbst immer mal knapp vor dem Abstieg stand und welchen finanzielle Sorgen plagen, schaffte mehr Kontinuität in der Personalplanung.

Hinzu kommt, dass der 1. FC Kaiserslautern in jener Zeit drei Trainer hatte. Wobei zwei von den dreien (Marco Kurz und Franco Foda) jeweils ihre eigenen Kaderwünsche erfüllt bekamen. Das traurige Intermezzo von Krassimir Balakov will ich da gar nicht weiter kommentieren.

Wer jetzt noch von Kontinuität und strategischer Ausrichtung spricht, der kann eigentlich nicht den FCK meinen. Trainer kommen und gehen wie Spieler immer mal, aber um erfolgreich zu arbeiten bedarf es wohl einer gewissen Ausrichtung und einem Konzept des Vereins. Man kann von Glück sagen, dass mit Stefan Kuntz wenigstens ein Entscheidungsträger in den letzten Jahren gleich blieb. Aber gerade seine Entscheidungen in der jüngsten Vergangenheit erscheinen ob der Zahlen und den erzielten Ergebnissen fragwürdig. Versteht mich nicht falsch, ich bin durchaus ein Fan von Kuntz, war es schon als er noch spielte, aber das Glück und die Weitsicht scheinen ihn verlassen zu haben, nimmt man nur die letzte und die komische aktuelle Saison als Referenz.

Was mir persönlich fehlt ist die maßgebliche Vereinsidentität. Wo ist der mittelfristige Plan Kaiserslautern wieder weiter oben zu etablieren? Soll das etwa durch die jährlichen „Fifa-Manager-artigen“ Wechselspiele erfolgen? Ich denke nicht. Bei einem ganz großen Verein auf der Welt heißt es, „mehr als nur ein Club“. Ich war jahrelang der Ansicht, dass das auch für den 1.FC Kaiserslautern gilt. Jetzt kommt hinzu, dass man immer mehr mit den eigenen Fans aneinander gerät und die mangelnde Unterstützung anprangert. Woher soll Identifikation und die sich daraus ergebende Unterstützung kommen, wenn das agierende Personal andauernd in diesen Maßen ausgetauscht wird. Will man sich beispielsweise ein Trikot kaufen, fährt man fast nur mit Tobias Sippel und Florian Dick eine sichere Schiene. Der Rest scheint völlig austauschbar und nach nur einem kurzen Jahr wieder weg.

Der Fan kratzt sich fragend den Kopf und die Vereinsverantwortlichen versuchen jedes Jahr ihr Handeln auf den Versammlungen zu rechtfertigen.

Stelle ich mir vor, ich wäre jetzt fünf Jahre alt und stünde vor der Entscheidung FCK-Fan zu werden, dann müsste ich erst mal an meinem Kurzzeitgedächtnis arbeiten und eine entsprechende Therapie machen, um mir diese Namen zu merken. Für meine bedingungslose Unterstützung sind seit zehn Jahren keine aktuellen Spieler mehr verantwortlich, sondern fast nur Geister der kaum merklich glorreichen Vergangenheit: Miro Kadlec, Axel Roos, Roger Lutz, Martin Wagner, Pavel Kuka, Stefan Kuntz, Ciri Sforza, Harald Kohr, Friedel Rausch und Otto Rehagel uvm. (ja, auch Rehakles), selbst Youri Djorkaeff bleibt mir persönlich in besserer Erinnerung als Tauchsieder wie Olcay Sahan.

Dabei ist es durchaus zulässig anzuführen, dass sich der Fußball und das Geschäft verändert haben. Trotzdem schaffen es andere Vereine in wenigen Jahren ein Gerüst aufzubauen, welches man dann nutzt um Jahr für Jahr ein Team aufzubauen. Bei den roten Teufeln fehlt mir dieses Gerüst und das überträgt sich direkt auf die fehlende Philosophie und Spielidee. Wechselnde Systeme, taktische Ausrichtungen und Personal tragen dazu bei, dass der FCK chronisch wankelmütig wirkt.

Natürlich hat auch jeder Trainer seine Idee vom Spiel, aber einige übergeordnete Tugenden bzw. Taktiken kann man auf Grund der Geschichte nicht mehr weglassen. Vereine wie Freiburg, Dortmund, Hannover und Mainz haben es geschafft sich eine Identität zu bauen, die fast unabhängig von Trainer und Spielern funktioniert. Der kurzfristige Erfolg mag diese Clubs als ungeeignete Beispiele erscheinen lassen, aber schaut euch doch mal an woher diese Vereine kommen. Dortmund am Rande des finanziellen sowie sportlichen Abgrunds, Hannover 96 geplagt durch eine der schlimmsten Tragödien die der deutsche Fußball kennt, Mainz 05 aus der totalen Bedeutungslosigkeit hinter dem FCK erstiegen und der SC Freiburg als gallisches Dorf in Mitten der Fußballgroßmächte. Keiner dieser Vereine hat irgendein Wundermittel, geheimes Labor oder bahnbrechende Neuerungen erfunden. Kontinuierliche Arbeit mit einem übergeordneten Vereinsziel, was unabhängig von den normalen Fluktuation des Fußballgeschäfts funktioniert.

Das sind grundlegende Entwicklungen und keine kurzfristigen Hau-ruck-Aktionen wie panische Spielerkäufe. Dafür muss man solche Pläne auch den Fans kommunizieren. Beim SC Freiburg sprach man nicht von Ligazugehörigkeit, sondern von den besten 20 Vereinen in Deutschland unter welche man gehören will. Strukturell sind wir allen angeführten Beispielen unterlegen, was auch finanzielle Gründe haben mag. Aber nutzt uns beispielsweise eine Fan-Anleihe in Höhe von 6 Millionen €, wenn man keine feste Zusage über einen möglichen Kauf bzw. Pachtvertrag vom wichtigsten Partner (Stadt Kaiserslautern) hat? Was nützt uns ein schöneres NLZ, wenn die Durchlässigkeit von der Jugend in den Profi-Bereich absolut nicht gegeben ist und Spieler fast nur zufällig mal oben landen. Uns sind so viele Talente aus den klassischen Einzugsgebieten durch die Lappen gegangen, dass das nicht nur an den alleinigen infrastrukturellen Gegebenheiten gelegen haben kann. Und auch der Umgang mit eigenen Talenten lässt zu wünschen übrig.

Ein erster Schritt ist gemacht und mit Konrad Fünfstück ein fähiger Mann am Ruder. Auch die jüngsten Erfolge der A-Jugend wirken diesbezüglich wie ein Hoffnungsschimmer. Aber was bringt das alles, wenn die entsprechenden Trainer nicht mitspielen? Ich erwarte mir da vom Verein selber, dass er Regeln und Organisationsstrukturen vorlegt, denen sich jeder Übungsleiter zu unterstellen hat.

Mehr dazu im dritten Teil meiner Artikel-Serie „Relegation! Und jetzt?“.

Beste Grüße

Euer Stehgeiger